Berlin – Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein Drama mit ungewissem Ausgang – auch für die Tourismusbranche. Das Thema Brexit gehöre zu den laufenden Herausforderungen des Jahres, sagte Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), auf der Reisemesse
ITB in Berlin (6. bis 10. März).
Auf dem weltgrößten Treffpunkt der Touristiker waren auch viele Aussteller aus dem Vereinigten Königreich zu Gast – nach Angaben der Messe Berlin insgesamt 190. Der Brexit habe keinen Einfluss auf die Aussteller gehabt, heißt es vonseiten der Messe.
«Die Schwierigkeit ist die Ungewissheit»
Und wie ist die Lage an den Ständen? «Die Schwierigkeit ist die Ungewissheit im Moment», sagte Martina Heinsohn vom London Convention Bureau. «Wir müssen diesen kurzzeitigen «Schluckauf» überstehen» – typisch britisches Understatement. Der Brexit habe jedenfalls nicht zu Besucherrückgängen in London geführt, so Heinsohn.
Auch Ales Kosejk von Visit Greenwich verwies auf die andauernde Unklarheit als Problem: «Nichts zu wissen, ist das Schlimmste.» Dennoch rechnet er mit einer Lösung: «Jeder, mit dem wir in und außerhalb der Regierung gesprochen haben, geht davon aus, dass es zwar eine Verzögerung, aber einen Deal geben wird», so Kosejk.
Von den Touristikern ist zu hören, dass die deutschen Urlauber sich mit dem Buchen von Großbritannien-Reisen derzeit eher zurückhalten. Viele warten ab, wie es in Sachen Brexit weitergeht.
Der Flugverkehr in Europa soll intakt bleiben
Ein gewaltiger Risikofaktor ist vorerst vom Tisch: Lange herrschte Unsicherheit darüber, ob und wie viele Flugzeuge nach einem Brexit überhaupt noch zwischen Großbritannien und der EU fliegen dürfen. Hier gab es Entwarnung: Auch bei einem ungeregelten Brexit soll der Flugverkehr in Europa weitgehend intakt bleiben. Das hatten Vertreter der EU-Staaten und des Parlaments verhandelt.
Ein Notfallplan sieht vor, dass Sicherheitszertifikate für Flugzeuge von britischen Airlines für neun Monate weiter gelten sollen – damit Bescheinigungen bei der europäischen Luftfahrtbehörde EASA erneuert werden können. Außerdem sollen Airlines mit britischer Lizenz für bis zu sieben Monate Verbindungen zwischen Großbritannien und den übrigen 27 EU-Staaten aufrecht erhalten können.
«Wir gehen also davon aus, dass der Flugverkehr so weiter laufen wird wie bisher», sagte DRV-Präsident Fiebig auf der ITB. Hindernisse sind bei einem ungeordneten Brexit aber dennoch möglich: Gerade erst hatte der Billigflieger Ryanair Ersatzteile aus dem englischen Zentrallager auf andere EU-Standorte verteilt – wegen möglicher Zollbeschränkungen.
Guter Wechselkurs für Urlauber
Positiv für Reisende ist weiterhin der Wechselkurs: Das Britische Pfund hatte mit dem Referendum über den EU-Austritt im Juni 2016 deutlich an Wert verloren. Das machte einen Urlaub in Großbritannien für Touristen aus dem Euroraum plötzlich günstiger.
Die großen deutschen Reiseveranstalter sorgen sich nicht so sehr darum, dass weniger Bundesbürger nach Großbritannien reisen – das Land spielt im Vergleich zu touristischen Riesen wie Spanien, Griechenland und Türkei nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidender sind die Langstreckenflüge über London. Diese Flugverbindungen bringen viele deutsche Reisende zum Beispiel in die USA oder die Kreuzfahrtregion Karibik. Die Stopover-Flüge standen auf der Kippe. Nun ist sichergestellt, dass sie starten können. Vorerst.
Kostenfreie Stornierungen
«Im Moment ist Ruhe», sagte DRV-Sprecher Torsten Schäfer. Die britische Premierministerin Theresa May will spätestens am 12. März wieder über das Brexit-Abkommen abstimmen lassen – es stößt im Parlament in London auf heftigen Widerstand. Nach dem derzeit aktuellen Plan wird das Vereinigte Königreich die EU am 29. März verlassen.
Veranstalter in Deutschland sind alarmiert: Tui Wolters Reisen zum Beispiel bietet für Reisen nach Großbritannien bis 31 Tage vor Reiseantritt kostenfreie Stornierungen – damit Mitarbeiter in den Reisebüros Urlaub in Großbritannien «weiterhin sicher empfehlen können», wie es in einer Mitteilung hieß. Das Angebot gilt für Rundreisen nach England, Schottland, Wales und Irland bei Buchung bis 31. März. Wie es dann um den Brexit steht, ist völlig offen.
Fotocredits: Ralf Hirschberger
(dpa)