Hoffnung auf Tourismusboom in Kolumbien

Bogotá – Es gehört ein Schuss Verrücktheit dazu, hier ein zehnstöckiges Hotel zu bauen, mit 60 Zimmern. Migele Cinque steht oben im Rohbau, im Hintergrund rauscht das Meer. «Da links ist der Friedhof, das heißt, es kann nicht zugebaut werden, freier Blick.»

Dann zeigt er nach vorne zur Uferpromenade. «Ich habe gehört, dass da hinten die Marina, der Jachthafen, gebaut werden soll, da habe ich mir das Ufergrundstück gesichert.» Der Deutsche mit italienischen Wurzeln – der Vater kommt aus Neapel – setzt auf eine Bonanza, eine neue Goldgräberstimmung, denn bisher ist Riohacha an der kolumbianischen Karibikküste, nahe der Grenze zu Venezuela, ein verschlafenes Nest.

Bauruinen, etwas heruntergekommen, hohe Arbeitslosigkeit. Bis vor kurzem war in der Region auch die gefürchtete Farc-Guerilla aktiv, was Touristen abschreckte. Kolumbien hat aber seit einigen Jahren mit das stabilste und höchste Wirtschaftswachstum Südamerikas – während Länder wie Brasilien in der Rezession versinken. Das hängt vor allem mit dem schrittweisen Ende des bewaffneten Konflikts zusammen, der seit 1964 mehr als 220 000 Tote forderte. Bis Mai soll die Waffenabgabe der knapp 7000 Farc-Guerilleros abgeschlossen sein.

Für das Aushandeln des Abkommens mit der Farc bekam Präsident Juan Manuel Santos den Friedensnobelpreis. Er sagt, dass 2016 erstmals etwas mehr als
fünf Millionen Touristen kamen. Und das soll erst der Anfang sein, gerade auch in Riohacha – das bisher anders als die Karibikstädte Cartagena und Santa Marta ein Schattendasein fristet.

Die Uferpromenade sieht bisher so aus: Ein paar Plastikstühle vor Bretterbuden, die abends gegrillten Fisch anbieten, billige Bars – dahinter aber ein Traumstrand mit magischen Sonnenuntergängen. Die Region La Guajira ist etwas durchgeknallt, aber voller Geschichten.

Migele Cinque, der Auswanderer aus Alemania, landete vor zehn Jahren zufällig in Kolumbien und blieb, auch der Liebe wegen. Der 33-Jährige stammt aus Mudau im Odenwald (Baden-Württemberg). Nach der Bundeswehr studierte er in Konstanz Jura, über ein Stipendium des DAAD kam er nach Bogotá, danach verschlug es ihn in die Karibik. Mittlerweile ist er siebenfacher Vater.

Als er in Riohacha ankam, gab es praktisch keine Taxis. Cinque baute Taxi Tropical, den ersten Funktaxibetrieb der Stadt auf – heute hat das Unternehmen mehr als 250 Fahrzeuge. Zudem hat er noch eine Werkstatt («Auto Alemania»). Er verkaufte einige Anteile der Taxifirma, um Geld für die Expansion im Hotelbereich zu haben. Sein erstes Hotel ist benannt nach Papst Johannes Paul II. – Cinque ist gläubiger Katholik.

Es hat sieben Zimmer. Das Hotel mit zehn Stockwerken soll 60 Zimmer haben, Sauna, Pool, Meerblick-Terrasse: 1,5 Millionen Dollar teuer. «Bisher traut sich kein Investor, Geld zu geben.» Aber er hofft, es irgendwie hinzubekommen, dass das Hotel Ende des Jahres weitgehend steht. Bis dahin laufe ein Tourismusförderprogramm. «Dann gewährt der Staat 30 Jahre Einkommenssteuerfreiheit.» Er glaubt an Riohacha.

Bisher gibt es hier nur ein paar Rucksacktouristen. Man kann sich hier auch ein Bild machen von der größten Benzinschmuggel-Ökonomie Südamerikas. Dominiert wird das Gebiet von den Wayuu-Indigenas.

Drüben im sozialistischen Venezuela gibt es das billigste Benzin der Welt, über die grüne Grenze werden täglich Hunderttausende Liter gebracht und auf der kolumbianischen Seite direkt an der Straße verkauft, per Trichter wird es eingefüllt, die meisten Tankstellen im nahen Grenzort Maicao sind geschlossen. Die Polizei schaut meist weg.

Von 1974 bis 1980 machte die Gegend mit der «Bonanza de Marihuana» Schlagzeilen, es gab 19 000 Hektar Anbaufläche. Statt Geld zu zählen, wurde es gewogen. Schließlich wurden 10 000 Soldaten zur Vernichtung der Felder entsandt. Die neue Bonanza soll legalerer Natur sein.

Ortswechsel, die Hauptstadt Bogotá. Auch Thomas Voigt glaubt an den Boom. Er empfängt im Büro der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer, Voigt ist ihr Hauptgeschäftsführer. «Der Tourismus hat den Bergbau als größten Devisenbringer abgelöst», sagt er. Es gäbe aber zwei Herausforderungen: Die Infrastruktur mit genug vernünftigen Hotels und Restaurants – und die Ausbildung des ganzen Personals.

«Ein großer Vorteil sind sicher die billigen Flüge, auch in Richtung der Karibikinsel San Andrés.» Gerade im Wassertourismus sei noch viel zu tun: «Es gibt schöne Karibikorte, aber bisher kaum Marinas.» Neben Konzernen mit eigenen Niederlassungen wie Bosch und Lufthansa würden deutsche Firmen verstärkt nach Partnern für eine Repräsentanz in Kolumbien suchen. Besonders stark ist DHL vertreten – auch beim Ausbau des Tourismus sind Logistikunternehmen gefragt. Immerhin ist eine Marktlücke schon geschlossen: Es gebe bereits ein Unternehmen, das sich auf den Import von deutschem Bier spezialisiert hat.

Fotocredits: Georg Ismar
(dpa)

(dpa)