Berlin – Entlassungen bei Air Berlin, Chaos bei Tuifly: Die deutsche Luftfahrt steckt in der Krise. Ryanair, Easyjet und andere Billigflieger wittern ihre Chance und drängen zunehmend von den kleinen Flughäfen auf die großen Drehkreuze.
Low-Cost-Flüge sind mittlerweile eher der Standard als die Ausnahme, zumindest in Europa. Das hat fünf Konsequenzen für Flugreisende – und die sind oft sehr erfreulich:
1) Mehr Airlines
Auch wenn Air Berlin sein Streckennetz verkleinern muss – mit Blick auf Europa entsteht eher mehr Auswahl am Himmel. Im harten Preiskampf haben die etablierten Fluggesellschaften das Geschäftsmodell der Billigflieger adaptiert: Das ist an Eurowings (Lufthansa), Vueling (British Airways/Iberia) und Transavia (KLM/Air France) zu sehen. Norwegian bietet auf vielen Nordeuropa-Strecken günstige Flüge, die ungarische Wizz Air und die rumänische Blue Air fliegen für wenig Geld nach Osteuropa.
2) Günstige Preise
Der Wettbewerb über den Wolken erhöht die Chancen auf günstige Preise. Peter Berster vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) führt als Beispiele die Strecken Köln-Berlin mit den Wettbewerbern Ryanair, Eurowings und Air Berlin sowie München-Berlin mit Transavia, Lufthansa und Air Berlin an. Die Zahl der Strecken mit preisgünstigen Flugangeboten nimmt durch die Konkurrenz zu.
3) Mehr Strecken
Vor allem Köln/Bonn, Berlin-Schönefeld und Stuttgart profitierten laut einer DLR-Analyse vom großen Angebot bei den Billigfliegern. Ryanair baut das Angebot ab Berlin massiv aus, 19 neue Sommerziele stehen nächstes Jahr im Flugplan. Im November eröffnen die Iren außerdem neue Basen in Hamburg und Nürnberg. Easyjet fliegt in Deutschland im Winterflugplan 2016/17 auf 75 Strecken ab sieben Flughäfen. Auf kleineren Airports machen sich noch andere Airlines breit – wie Wizz Air in Karlsruhe, Dortmund und Hannover.
4) Günstige Langstreckenflüge
Die Billigflieger haben längst nicht mehr nur europäische Ziele im Visier – sie drängen auf die Langstrecke. Eurowings fliegt von Köln-Bonn zum Beispiel nach Bangkok und Phuket in Thailand oder nach Miami, Mexiko und in die Dominikanische Republik. Hinzu kommen bald Direktflüge nach Havanna und ab Juli 2017 nach Las Vegas. Norwegian hat schon zahlreiche Transkontinental-Verbindungen im Angebot, etwa von London-Gatwick nach Los Angeles. Die Isländer von Wow Air bieten günstige Nordamerika-Flüge mit Stopp in Reykjavík an.
5) Weniger Unterschiede
Billigflieger oder etablierte Airline? Diese Aufteilung ist oft kaum noch sichtbar. Viele gefühlte Tatsachen träfen gar nicht mehr zu, sagt Prof. Christoph Brützel vom Aviation Department der Internationalen Fachhochschule in Bad Honnef. Beispiel Sitzabstand: «Der ist bei Lufthansa in der Economy genauso eng wie bei Ryanair, bei Air Berlin sogar noch enger.» Und die Pünktlichkeit? Da gibt es zwischen Premium und Low Cost in der Regel keine Unterschiede. Ein Negativbeispiel ist allerdings die Airline Eurowings.
FAZIT: Niedrigere Preise, weniger Übersicht
Keine Frage, die Billigflieger machen ihrem Namen alle Ehre – und das Reisen in Europa ziemlich günstig. Gleichzeitig muss der Passagier so genau hinsehen wie noch nie: Die Billigflieger lassen sich jeden Service bezahlen, und auch die Premium-Airlines bieten zunehmend verschiedene Tarife an – deren Light-Pakete ähneln im Leistungsumfang eher den Billigangeboten von Ryanair und Co.
Gibt es auch Nachteile der Billigflieger?
Ja. Zum einen ist die Anreise zu manchen Flughäfen wie Frankfurt-Hahn oder Düsseldorf-Weeze länger. Und dann ist da das Thema Fluggastrechte. In den meisten Fällen würden berechtigte Entschädigungsforderungen zunächst abgelehnt oder ignoriert, erklärt das Fluggastrechte-Portal Flightright. Ryanair gilt als schwarzes Schaf. Ob das die Beliebtheit letztlich schmälert, ist aber sehr fraglich. Insbesondere in Zeiten, wo ein Ferienflieger wie Tuifly wegen massenhafter Krankschreibungen der Crews Dutzende Flüge ausfallen lässt und erklärt, keine Entschädigung zahlen zu wollen.
Fotocredits: Bernd Thissen
(dpa/tmn)