Mini-Manhattan im Mittelmeer

Valletta – Das Rauschen des Meeres übertönen Presslufthammer, Zementmischmaschinen und Bagger. Wohnblocks und Wolkenkratzer steigen in den blauen Himmel. Malta kann eine für Südeuropa derzeit ungewöhnliche Erfolgsgeschichte erzählen.

Die
Wirtschaft brummt, aus ganz Europa kommen Menschen zum Arbeiten, der
Tourismus boomt und an allen Ecken und Enden wird auf der Mini-Insel im Mittelmeer gebaut. «Malta hat eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Europa», schreibt der Internationale Währungsfonds in einem Länderbericht.

Die Wirtschaft soll in diesem Jahr nach EU-Schätzung um 3,7 Prozent wachsen – zum Vergleich: In der gesamten EU gehen die Statistiker von 1,6 Prozent aus. Als einziges EU-Mittelmeerland hat der Winz-Staat Malta, der derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, die Finanzkrise unbeschadet überstanden. Die Insel hat sich als internationales Zentrum für
Online-Gaming etabliert und verdient mit Sportwetten ordentlich Geld.

Aber vor allem der Tourismus trägt zum Boom bei. Im vergangenen Jahr kamen fast zwei Millionen Urlauber auf die Insel, die nur knapp so groß ist wie München und nicht mal 450 000 Einwohner hat. Nach Briten und Italienern kommen am meisten Touristen aus Deutschland: 2016 waren es 157  000 (plus 10 Prozent).

Im Hafen Vallettas schieben sich Kreuzfahrtkolosse an die Stadt, spucken die Menschen aus, die sich ins Zentrum ergießen. «Wir sind regelmäßig nach Malta gekommen, aber jetzt haben wir keine Lust mehr, weil der Kreuzfahrttourismus die Insel kaputt macht. Die Leute schwappen nur so in die Stadt», erzählt ein Tourist aus Kiel, der in einem Café in der Innenstadt sitzt.

Grund für den Touristenansturm ist auch, dass andere traditionelle Urlaubsländer wie Tunesien, Ägypten und die Türkei politisch instabil sind. Malta hingegen hat neben Sonne und Strand auch eine reiche Kultur zu bieten. Nächstes Jahr wird die Hauptstadt Valletta Kulturhauptstadt Europas sein. Doch der Preis für den Boom ist hoch.

Beim maltesischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt heißt es zwar, Beschwerden von Urlaubern gebe es wegen des Bauens nicht. «Nach Maltas EU-Beitritt im Jahr 2004 wurden nach und nach Baumaßnahmen begonnen, die auch zur allgemeinen Verbesserung der Infrastruktur dienten», sagt Sprecherin Stefanie Schröder. «Dies mag sicherlich in der Bauphase selbst unangenehm sein, kommt aber letztendlich sowohl den Einheimischen als auch Urlaubern zugute.»

Aber Naturschützer sind alarmiert. «Malta braucht nicht ständig neue Gebäude, sondern Grünflächen», sagt Astrid Vella von der
Umwelt- und Kulturschutzorganisation FAA. Selbst der maltesische
Erzbischof Charles Scicluna schaltete sich in die Debatte ein, indem er «phallusartige» Bauten kritisierte, mit denen sich die Verantwortlichen «Gold» in die Tasche schaufeln wollten.

Die Einwohner sind entnervt, weil der Verkehr Tag für Tag zusammenbricht und die Infrastruktur in «Mini-Manhattan» dem Boom nicht gewachsen ist. Zuletzt sorgte ein geplanter Shopping-, Hotel- und Casino-Komplex für Superreiche für Aufregung. «All diese wahnwitzigen Gebäude ersticken uns», heißt es in einer Petition gegen das Vorhaben.

Aber auch andere Aspekte rücken Malta nicht nur in das positive Licht, das die Regierung gerne zeichnet. Das Land hat den Ruf als Steueroase und trägt den Spitznamen «Monaco im Mittelmeer». Die Grünen im EU-Parlament kritisierten unlängst, dass Unternehmen auf Malta ihre Steuerlast auf wenige Prozent drücken könnten.

Fotocredits: Annette Reuther
(dpa)

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