Hannover – Ein Vorteil der klassischen Pauschalreise: Der Urlauber kann einen Teil des Geldes zurückfordern, wenn er eine versprochene Leistung erwiesenermaßen nicht bekommen hat. Beispiele für Reisemängel sind permanenter Baulärm oder ein Zimmer ohne Fenster statt mit Meerblick.
Doch einen Mangel zu beweisen, ist manchmal gar nicht so leicht. Zuerst die gute Nachricht: Durch das neue Reiserecht in Deutschland seit 1. Juli haben Urlauber nun zwei Jahre Zeit, um eine Minderung des Reisepreises beim Veranstalter einzufordern. Zuvor war es lediglich ein Monat. Doch oft ist es bei der Rückkehr schon zu spät.
Ein Reisemangel muss auch schon vor Ort gemeldet werden, und zwar bei der Reiseleitung. «Nicht bei der Rezeption im Hotel, nicht bei der Airline», betont der Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. «Immer beim Veranstalter.» Der Jurist rät: Sofort reklamieren und Abhilfe verlangen. «Es ist nicht so, dass die Veranstalter nichts machen.» Viele Anbieter halten auch Mängelprotokolle vor. Falsch wäre es jedoch, sich vom Reiseleiter das Formular aushändigen zu lassen und dieses erst am letzten Urlaubstag zurückzugeben.
«Man muss dem Veranstalter die Möglichkeiten geben, den Mangel zu beheben», sagt Stefanie Siegert, Juristin bei der
Verbraucherzentrale Sachsen. Nur wie lange? «Es gibt keine gesetzliche Frist, es kommt auf die Art des Mangels an.» Lässt sich das Problem zum Beispiel mit einem Wechsel des Zimmers beheben, seien maximal ein bis zwei Tage angemessen, so die Verbraucherschützerin.
Wenn die Reiseleitung das Problem nicht löst, kommt es darauf an, die Mängel gründlich zu dokumentieren. «Beweissicherung ist das A und O», sagt Siegert. Der Pool nicht nutzbar? Schädlingsbefall im Hotel? «In solchen Fällen andere Hotelgäste ansprechen und sich das bestätigen lassen», rät die Juristin. Zeugen können später aber auch der Ehepartner sowie Freunde und Bekannte sein.
Bei der Dokumentation von Mängeln tun sich viele Urlauber schwer, weiß Rechtsanwalt Degott aus der Praxis. Wichtig sei, Mängel detailreich beschreiben zu können. Fotos sind schwierig. Beispiel dreckiges Hotelzimmer: «Ein Bild von einer Fluse auf dem Fußboden reicht nicht», sagt Degott. Man muss schon jeden Tag viele aussagekräftige Bilder machen. Beispiel Baulärm: Ein Video mit einem Piepsen im Hintergrund ist wenig überzeugend.
«Man muss den Mangel genau beschreiben können, das ist oft schon das erste Problem», sagt Degott. Ein Satz wie «Das Zimmer war immer schmutzig» ist zu ungenau. «Richter lassen sich am besten von einer guten Geschichte mit vielen überprüfbaren Details überzeugen.»
Zudem kommt es stets darauf an, was in der Reisebeschreibung stand. Degott spricht von einem «Soll-Ist-Vergleich». Was wurde versprochen? Und was bekam der Urlauber? Nach den Erfahrungen des Juristen ist das schon ein Problem. Bei einem Massenveranstalter wie Tui könne man hinterher gut im Katalog schauen, welche Leistungen versprochen waren. Bei Online-Buchungen bei kleinen, mittelständischen Veranstaltern sieht das womöglich schon anders aus.
Nach der Rückkehr sollten Urlauber dann ihren Veranstalter kontaktieren, den Sachverhalt darstellen und Mängelanzeige sowie Beweise vorlegen. «Und einen Anspruch konkret beziffern», sagt Siegert. Also eine konkrete Summe nennen.
Hier kann man sich an der bisherigen Rechtsprechung orientieren, auch wenn vieles vom Einzelfall abhängt. Bei kleineren Mängeln gibt es oft fünf Prozent des Reisepreises zurück, bei größeren zehn Prozent – je nach Fall ist auch mehr Minderung möglich. «Gerne auch ein altes Urteil anhängen, damit man ernstgenommen wird.» Dann eine Zahlungsfrist von 14 Tagen setzen. «Damit ist man immer gut dabei», sagt Siegert.
Mehrere Monate lassen Urlauber besser nicht verstreichen, trotz der neuen Frist. «Man sollte das schnell nach dem Urlaub machen, weil die Geschehnisse dann noch präsent sind», sagt Siegert. Das gilt auch für mögliche Zeugen, die sich erinnern sollen.
Fotocredits: Hilke Segbers,Andrea Warnecke,Raphael Michalek
(dpa/tmn)