Frankfurt(Oder) – Die Oder macht es Menschen, die auf ihr fahren wollen, nicht leicht. Schwankende Wasserstände, tückische Stromschnellen und wandernde Sandbänke stellen nicht nur Berufsschiffer mit ihren Lastkähnen vor Herausforderungen, sondern auch Ausflugsdampfer und Freizeitkapitäne.
«Wenn extremes Niedrigwasser in jedem Sommer alle Pläne zunichte macht oder aber umgekehrt die starke Strömung abschreckt, ist es kein Wunder, dass sich touristisch kaum etwas entwickelt», sagt Robert Radzimanowski, Verkehrsexperte der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg, der sich seit Jahren auch im Verein zur Förderung des Oderstromgebietes engagiert.
«Da sind auch viele Mythen dabei. Die Leute werden durch angeblich notwendige nautische Fachkenntnisse eingeschüchtert, obwohl das beschilderte Leitsystem genau ausweist, wo Fahrrinnen sind und wo es zu flach wird», meint hingegen der Frankfurter Rechtsanwalt Jens Kroll, selbst leidenschaftlicher Sportbootfahrer.
Gemeinsam mit einem Geschäftspartner betreibt er seit zwei Jahren am nördlichen Ende der Stadt eine Marina an der Oderpromenade, bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg: Von den 18 Mietliegeplätzen für Sportboote ist nur die Hälfte besetzt, zwei der drei Leih-Motorschiffe wurden geklaut. Gut angenommen wird lediglich der dazu gehörende Campingplatz für Zelte und Wohnmobile. «Von hier aus ist alles Sehenswerte Frankfurts zu Fuß zu erreichen», sagt Kroll, der beklagt, dass die Stadt mit der Oder im Namen viel zu wenig mit dem Fluss für sich wirbt.
«Touristisch gesehen ist man entlang der Oder in Frankfurt bisher nicht wirklich auf Gäste eingestellt», sagt auch Ellen Russig, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Seenland-Oder-Spree. Im sogenannten Winterhafen, einem ruhigen Seitenarm der Oder, hatte sich die Frankfurter Stadtverwaltung allerdings ins Zeug gelegt. Zwei Millionen Euro EU-Fördermittel flossen in das Marina-Projekt – mit einer modernen, 60 Meter langen Steganlage mit 18 Liegeplätzen, Sanitäranlagen, Stromanschlüssen, einer Slipanlage zum Einsetzen von Booten sowie einer Trinkwasser-Tankstelle für potentielle Wasserwanderer. Doch die müssen erst einmal bis zur Oder kommen, beispielsweise über den Oder-Spree-Kanal aus Richtung Berlin, sagt Kroll. «Durch die vom Bund verkürzten Schleusenöffnungszeiten unterwegs ist das die wahre Herausforderung.»
Nun könnte die Frankfurter Marina auch noch Konkurrenz bekommen, denn auch die polnische Partnerstadt Slubice denkt über den Ausbau ihres kleinen Hafens für die Sportbootschifffahrt nach, wie Stadtsprecherin Beata Bielecka bestätigt. Die Slubicer wollten Liegeplätze auf ihrer Seite der Oder haben, begründet sie. «Die Idee ist nicht neu», gibt sich Kroll gelassen, «und ich finde sie gut». Seinen Erfahrungen nach bleibe jeder Freizeitkapitän eben lieber am Ufer seines Landes. Und die Touristen könnten sich entscheiden, wo sie lieber anlegen. Kroll sieht dadurch keine Konkurrenz, sondern verspricht sich eine Belebung des Geschäfts. «Je mehr Boote auf der Oder fahren, um so mehr Leute kriegen selbst Lust, das einmal auszuprobieren», glaubt er.
Das sieht Sören Bollmann, Leiter des Frankfurt-Slubicer Kooperationszentrums ähnlich. «Zwei Marinas machen den Standort unser Doppelstadt attraktiver, die Angebote können sich ergänzen.» Massen an Gästen auf dem Wasserweg seien sicherlich nicht zu erwarten, doch das Potential der Oder auch noch längst nicht ausgeschöpft, sagt er. Das sieht auch Verkehrsexperte Radzimanowski ähnlich. «Der Reiz der Oder liegt in ihrer Natur. Größere Städte mit Sehenswürdigkeiten gibt es an beiden Ufern kaum», macht er deutlich. Die Infrastruktur entlang des Flusses müsse sich deutlich verbessern. «Die Frankfurter Marina beispielsweise ist weitgehend unbekannt, hat bisher viel zu wenig Werbung für sich gemacht.»
Um den Fluss touristisch besser zu erschließen, hat der Tourismusverband Seenland Oder-Spree die 368 Kilometer lange Wasserwanderroute
Berlin-Oder-Umfahrt konzipiert: «Die führt über die Oder nordwärts in den Finowkanal zum Schiffshebewerk, von dort aus über die Oder-Havel-Wasserstraße weiter bis Oranienburg, über die Spree durch Berlin und zurück zur Oder über den Oder-Spree-Kanal», beschreibt Geschäftsführerin Rußig. Highlight dabei ist ihren Angaben nach zweifellos der deutsch-polnische Grenzfluss mit seiner malerischen, naturbelassenen Auenlandschaft an beiden Ufern, an denen es für Wasserwanderer jedoch noch immer zu wenige Anlegemöglichkeiten gibt.
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(dpa)