Jelenia Góra – Im pavillonartigen Anbau des Schlosses Wernersdorf dominiert die Farbe Blau.
Delfter Blau, um genau zu sein. Rund 1000 handbemalte Kacheln verzieren die Wände. Eine holländische Manufaktur aus Delft hat sie zwischen 1710 und 1720 angefertigt.
Die wertvollen Fliesen überstanden Kriege, Krisen und den Kommunismus. Heute schmücken sie das Schlosshotel «Palac Pakoszów». Das
Schloss Wernersdorf ist eines der eindrucksvollsten Bauwerke im
Hirschberger Tal im polnischen Niederschlesien. «Wir erleben eine wahre Renaissance», sagt Christopher Jan Schmidt, Architekt des Schlosshotels Wernersdorf.
Bis etwa 2013 seien vor allem Busreisende gekommen, die noch einmal im Leben ihre alte Heimat Niederschlesien sehen wollten. «Heimweh- oder auch Tränentourismus nannte man das hier», sagt Schmidt. Doch mittlerweile reisen immer mehr Kultur- und Naturfreunde in die Gegend von
Jelenia Góra, das einst Hirschberg hieß.
Die Popularität hat ihre Gründe: Die Region bietet mehr als 100 Kilometer gekennzeichnete Wanderwege, darunter steile Routen durch den polnisch-tschechischen Nationalpark
Riesengebirge zum Gipfel der Schneekoppe auf 1602 Metern.
Es gibt restaurierte Bürgerhäuser mit Laubengängen in Hirschberg, die Schau-Glashütte Julia in Piechowice, ein
Museum in Erinnerung an den Dramatiker Gerhart Hauptmann – und jede Menge Schlösser, die Touristen ein herrschaftliches Ambiente bieten. Mehr als ein halbes Dutzend Schlosshotels stehen zwischen Riesengebirge, Landeshuter Kamm sowie Iser- und Bober-Katz-Gebirge. Jedes hat seinen eigenen Charakter und Charme bewahrt.
Die Geschichte von Schloss Wernersdorf beginnt im Jahr 1725. Damals kaufte der Leinenfabrikant und Händler Johann Martin Gottfried das Gebäude und ließ es im barocken Stil umbauen. Prominenz ging ein und aus. König Friedrich der Große war 1765 und 1777 zu Gast, im Jahr 1800 dann John Quincy Adams, der spätere sechste US-Präsident.
Die neue Zeit im Palac Pakoszów beginnt 2004: Eine Ärztefamilie aus dem Saarland kauft ihren ehemaligen Familienbesitz von einem polnischen Privatmann, um den total verfallenen Barockbau instand zu setzen. Sieben Jahre dauert die behutsame Renovierung, Millionen Euro werden investiert. Die vorhandene historische Substanz sei mit modernen Elementen kombiniert worden, erklärt Bauplaner Schmidt.
Heute erstrahlt Wernersdorf inmitten eines 18 Hektar großen Parks als Schlosshotel in neuem Glanz. Dezenter Luxus mit minimalistischen Formen prägt die Räume, Tradition und Moderne überlagern sich.
Das
Schlosshotel Lomnitz ist seit 1997 geöffnet. Zuvor stand der 1720 errichtete barocke Bau zum Verkauf. Das Dach eingefallen, die Wände einsturzgefährdet, eine Birke machte sich im Mauerwerk breit.
Elisabeth und Ulrich von Küster, Nachfahren der früheren Besitzer, schlugen zu: «Wir haben uns spontan entschieden: Wir erhalten den Familienbesitz», erzählt Frau von Küster. Sie war damals 20, er 27. Die beiden jungen Leute kratzten ihre Ersparnisse zusammen und bauten mit Hilfe ihrer Familien, Stiftungsgeldern und Förderern die maroden Mauern schrittweise wieder auf. Eine Lebensaufgabe.
Das Hauptschloss präsentiert sich heute mit prächtigen Festsälen, das schmucke Witwenschlösschen nebenan hat hübsche Hotelzimmer im Landhausstil. Der Gutshof mit Schlossküche, Scheunenrestaurant, Schmiede und Leinenkaufhaus rundet das Ensemble ab.
Preußische Adelige waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ersten Entdecker der Region Hirschberger Tal. Sie kamen im Gefolge von König Friedrich Wilhelm III., der 1832 das Schloss Erdmannsdorf zu seiner Sommerresidenz machte. Architekt Karl Friedrich Schinkel baute den Besitz um und plante nebenan die ab 1836 errichtete Pfarrkirche.
Wer im preußischen Machtzentrum etwas auf sich hielt und begütert war, der erwarb im Hirschberger Tal ein Schloss – oder ließ sich gleich ein neues bauen. «Das Tal wurde zum Hotspot des Hochadels», sagt Elisabeth von Küster.
Um die 30 Schlösser, Residenzen und Herrenhäuser mit Parkanlagen stehen seitdem im Abstand von wenigen Kilometern. Eine ähnlich hohe Anzahl gibt es in Europa nur an der Loire in Frankreich.
Gleich zwei Schlosshotels gibt es in dem kleinen Dorf Staniszów, dem früheren Stonsdorf. Dornröschen wurde wach geküsst – so könnte die Überschrift zur jüngeren Geschichte von Schloss Staniszów lauten.
«Ich bin zufällig mit dem Fahrrad hier vorbeigekommen, habe das Schloss mit dem verwilderten Landschaftspark entdeckt und wusste: Das wird dein Hotel, dein Leben», erzählt Schlossherr Waclaw Dzida. 2002 konnte er die ersten vier Zimmer und das Restaurant für Gäste öffnen. Schloss Staniszów im Oberdorf ist eine beliebte Adresse für Touristen, auch durch den jüngst eröffneten Spa-Bereich.
Wer sich einen Überblick über die Herrschaftshäuser verschaffen will, kann dies im privaten
Miniaturenpark von Marian Piasecki in Kowary (Schmiedeberg) tun. Dort sind mehr als 50 Schlösser, Kirchen und Rathäuser aus Niederschlesien im Maßstab 1:25 zu bewundern.
Hirschberger Tal
Reisezeit: Im Hochsommer Temperaturen von mehr als 30 Grad möglich. Angenehmer sind die Monate März bis Anfang Juni und September bis Mitte Oktober.
Anreise: Mit dem Zug ab Berlin und Dresden bis Görlitz, von dort weiter mit der Niederschlesischen Eisenbahn bis Jelenia Góra (Hirschberg). Einige Schlosshotels organisieren auf Anfrage den Transfer. Mit dem Auto über Dresden (Autobahn A 4) bis Görlitz. Von dort über die Nationalstraße 30 nach Jelenia Góra. Direktflüge nach Breslau gibt es mit Eurowings, Lufthansa und Wizzair. Von dort sind es mit dem Mietwagen zwei Stunden ins Hirschberger Tal.
Übernachtung: In den Schlosshotels kostet die Nacht im Doppelzimmer etwa zwischen 50 und 90 Euro. Privatzimmer in der Region werden für 40 bis 60 Euro inklusive Frühstück angeboten.
Ausflüge: In den Schlosshotels oder beim Verleih Rowry Izery lassen sich oft Fahrräder für Tagestouren ausleihen.
Informationen: Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 10709 Berlin, Tel. 030/21 00 92 0, E-Mail: info.de@polen.travel.
Fotocredits: Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier,Bernd F. Meier
(dpa/tmn)