Kempten – In Deutschland gilt ab 1. Juli ein neues Reiserecht, die Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie. Sie soll Urlauber bei Buchungen im Internet besser absichern und betrifft auch die Reisebüros. Was Verbraucher wissen müssen:
Insolvenzabsicherung für Baustein-Reisepakete
Bisher hatte der Urlauber die Wahl zwischen einer Pauschal- und Individualreise mit einzelnen Leistungen wie Flug, Hotel und Mietwagen. Das Pauschalpaket ist gut abgesichert: Der Urlauber bekommt bei Insolvenz des Veranstalters sein Geld zurück, kann bei Mängeln den Reisepreis mindern und Schadenersatz verlangen. Wer alles einzeln bucht, hat diese Rechte nicht. Künftig gibt es eine dritte Kategorie: die verbundene Reiseleistung.
Diese Rechtsform entsteht, wenn ein Reisebüro oder Online-Portal dem Urlauber als Vermittler ein individuelles Reisepaket aus einzelnen Leistungen verkauft, und zwar binnen eines Tages und mit getrennten Rechnungen etwa für Flug und Hotel. Jeder Baustein muss mindestens 25 Prozent des Gesamtpreises ausmachen. Bei einer solchen Reise muss der Vermittler eine Insolvenzabsicherung vorlegen, wenn er Kundengelder kassiert, wie der Reiserechtsexperte Prof. Ernst Führich aus Kempten erklärt. Geht also das Reisebüro oder Portal pleite, bekommt der Urlauber das angezahlte Geld zurück – ein Plus für Verbraucher.
Mehr Transparenz
Welche Art von Reise der Urlauber bucht, darüber muss der Vermittler künftig mit einem Formblatt explizit informieren. Tut er das nicht, wird er automatisch zum Reiseveranstalter – mit allen Pflichten. Es gilt dann Pauschalreiserecht. Der Urlauber kann dann etwa von einem Portal nachträglich einen Teil des gezahlten Geldes zurückfordern, wenn im Urlaub Mängel aufgetreten sind.
Das Ziel: Durch die Informationspflicht soll der Urlauber bei der Buchung einer Reise aus verschiedenen Bausteinen nicht irrtümlich glauben, er kaufe eine Pauschalreise. Dabei hat der Gesetzgeber vor allem an «Click-through-Buchungen» im Netz gedacht, bei denen mit wenigen Klicks Flug und Hotel für eine Reise gebucht werden.
Beispiel: Der Urlauber bucht auf der Webseite einer Airline einen Flug und binnen 24 Stunden noch ein vorgeschlagenes Hotel. Für diese verbundene Reiseleistung muss die Airline nun laut Führich in jedem Fall eine Insolvenzabsicherung mit einem gesetzlichen Musterformblatt und einem Sicherungsschein nachweisen. Und sie muss dem Urlauber zwei Rechnungen aushändigen. Informiert das Unternehmen den Kunden nicht eindeutig per Formblatt über die Art der Reise, haftet es wie ein Reiseveranstalter für Probleme beim Flug und im Hotel.
Eine Airline könne künftig schon durch den Ablauf des Buchungsprozesses zum Veranstalter werden, so die Verbraucherzentrale Brandenburg. Da sich Webseiten ständig änderten, sollten Urlauber den Buchungsverlauf und den Mailverkehr stets abspeichern.
Auch ein Reisebüro muss künftig jede Einzelleistung separat buchen und abrechnen – und das richtige Formblatt aushändigen. Sonst haftet es wie ein Veranstalter mit entsprechenden Pflichten. Dies war zwar auch bisher schon möglich, doch nun wird die Transparenz größer.
Große Reiseveranstalter sichern Einzelbuchungen ab
Als Reaktion auf die neue Rechtslage haben sich große Veranstalter dazu entschlossen, künftig auch Einzelleistungen wie den Aufenthalt im Hotel als Pauschalreisen abzusichern. Sie kombinieren dabei künstlich zwei Leistungen.
Tui kombiniert Einzelbuchungen mit einem Servicepaket («TUI Plus Paket»), das eine Krisenfallabsicherung und 24-Stunden-Betreuung umfasst. Diese Paket bekommt der Kunde kostenlos mit dazu, wenn er nur ein Hotel oder einen Mietwagen bucht. Ähnlich machen es Thomas Cook Signature und Neckermann: Mit dem «Sunny Heart Paket» werden einzelne Hotelbuchungen zur Pauschalreise. Zu diesem Schritt hat sich auch Schauinsland Reisen mit dem «Hotel & Mehr Paket» samt Reiseleitung, Notfallservice und Krisenmanagement entschieden.
FTI erklärt, Kunden mit Einzelleistungen «in allen Bereichen» als Pauschalreisende zu behandeln, also etwa in Bezug auf die Haftung, Gewährleistung oder die Betreuung vor Ort. Bei DER Touristik erhalten die Gäste wie bisher einen Sicherungsschein für einzelne Hotelbuchungen und einen «Rundum-Schutz wie für Pauschalurlauber, wie der Veranstalter mit Marken wie Dertour und ITS erklärt.
Lediglich Alltours wird nach eigenen Angaben für Einzelleistungen keine Sicherungsscheine ausgeben, anders als zunächst geplant.
Große Veranstalter machen Einzelbuchungen also freiwillig zu Paketreisen. «Das Pauschalreiserecht wird hier künstlich über die AGB auf einzelne Leistungen übertragen», sagt Führich. «Das ist ein großes Plus für den Urlauber.» Anders als bei der Buchung über ein Hotelportal wie Booking oder HRS bekommt der Reisende den Schutz der Pauschalreise.
Urlauber haben künftig außerdem mehr Zeit für die Mängelanzeige beim Veranstalter, wenn zum Beispiel das Hotelzimmer verdreckt war. Die Frist beträgt künftig zwei Jahre statt einem Monat.
Doch es gibt auch Nachteile: Künftig gilt das Pauschalreiserecht nicht mehr für Ferienwohnungen und -häuser von Veranstaltern. Auch Tagesreisen bis 500 Euro pro Person sind nicht mehr abgedeckt. Bucht der Kunde künftig also etwa ein Ferienhaus in Spanien bei einem deutschen Veranstalter, könnte spanisches Mietrecht gelten. Geld für Mängel zurückzubekommen, wird dadurch erschwert.
Zudem sind größere Preisänderungen nach der Buchung möglich. Bislang kann ein Urlauber den Reisevertrag kostenlos kündigen, wenn der Veranstalter den Preis nachträglich um mindestens fünf Prozent erhöht. Künftig ist dies erst ab acht Prozent möglich. Bisher durfte der Preis zudem binnen vier Monaten vor Reisebeginn nicht erhöht werden. Dieser Schutz beginnt nun erst 20 Tage vor Reisebeginn.
Fotocredits: Robert Günther,Ernst Führich,Robert Günther
(dpa/tmn)